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Es hat fast zwölf Stunden gedauert. Doch letztlich triumphierte die brasilianische Agrarlobby über die Umweltschützer. Brasiliens Parlament stimmte einer Aufweichung des strengen Waldschutzgesetzes von 1965 zu. Für die neue Präsidentin Dilma Rousseff ist das eine große Schlappe. Bis zuletzt hatte sie sich vehement für das „Codigo Florestal“ eingesetzt.

Die Änderung ist klein - doch die Wirkung ist groß. Die Novelle zum Waldgesetz würde kleinere Landwirtschaftsbetriebe teilweise von der Wiederaufforstungspflicht illegal abgeholzter Waldflächen befreien. Nach der Abstimmung im Parlament muss noch der Senat zustimmen. Dort kündigte das Rousseff-Lager bereits an, ihre Vorstellungen durchbringen zu wollen. Die Regierung werde weder Amnestieregelungen für illegale Rodungen noch einer Verlagerung von Kompetenzen zustimmen. Rousseff drohte bereits mit einem Veto. Sie muss das Gesetz zum Schluss unterschreiben.

Vorbildliches Gesetz, an das sich niemand hält

Das Waldgesetz geht auf das Jahr 1934 zurück und wurde 1965 zum letzten Mal grundlegend novelliert. Das Gesetz gilt als vorbildlich. Es schreibt Schutzgebiete für den Regenwald vor und weist landwirtschaftliche Betriebe und allzu expansionslustige Agrarmultis in die Schranken. So ist festgelegt, dass auf privatem Grundbesitz im Amazonas-Gebiet 80 Prozent der Fläche im Naturzustand belassen werden müssen. In Savannen liegt diese Quote bei 35 und in anderen Regionen bei 20 Prozent.

Soweit die Theorie. „Die Realität sieht doch ganz anders aus“, argumentierte der Frontmann der Agrarlobby im Parlament, Aldo Rebelo von der Kommunistischen Partei Brasiliens. Mehr als 90 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe erfüllten diese Auflagen nicht. Viele hätten Land übernommen, das bereits früher abgeholzt worden sei, als das noch erlaubt war. Wer aber bis 12. Juni keinen Nachweis über entsprechende Reserveflächen bringt, dem drohen Strafen. Zudem muss er die illegal abgeholzte Fläche wieder aufforsten. Und das sei, so Rebelos Argument, für die Unternehmen nicht zumutbar.

Bereits neue Lücken aufgetaucht

Und offenbar hatte das Parlament ein offenes Ohr für diese Argumente. Denn mit der Novelle werden Betriebe mit einer Fläche von bis zu 400 Hektar von den Auflagen befreit. Dem Einwand der Umweltschützer, Großgrundbesitzer könnten ihre Flächen dann einfach aufteilen und so der Wiederaufforstungspflicht entgehen, wurde nur insoweit entgegengetreten, als dass nur Familienbetriebe und Kooperativen freigestellt werden.

Rousseff: „Schande für Brasilien“

Dabei sah sich Rousseff in der Debatte vereint mit den Umweltschützern. Im Wahlkampf 2010 hatte sie versprochen, keinen Regelungen zuzustimmen, die eine Ausweitung der Abholzung zur Folge hätten. Nun droht die Präsidentin eines ihrer wichtigsten Wahlversprechen zu brechen. Über den Abgeordneten Candido Vaccarezza ließ sie ausrichten, dass sie das Abstimmungsresultat als „Schande für Brasilien“ empfinde.

Klimaschutzziele in Gefahr

Dabei hatte die Agrarlobby im Parlament ein leichtes Spiel. Denn beim Thema Regenwald geht es um viel Geld und Prestige und selbst Teile der Regierung sind hier gespalten. Zudem sind von den 513 Abgeordneten über 300 in der einen oder anderen Weise mit der Landwirtschaftsfraktion verbunden. Dennoch hoffte Rousseff bis zum Schluss, sich mit ihrer Umweltpolitik durchsetzen zu können. Schließlich hängt daran auch ihre Reputation im Ausland. Mit ihrer ehrgeizigen Klimaschutzpolitik wollte sie das Image Brasiliens international aufpolieren.

Wie ihr Vorgänger Luiz Inacio Lula da Silva hält sie an den festgelegten Klimaschutzzielen fest. Demnach will Brasilien bis 2020 die CO2-Emissionen um bis zu 39 Prozent und die Waldabholzung um 80 Prozent zurückfahren. Mit der Aufweichung der Waldschutzbestimmungen rückte das nun in weite Ferne.

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