Europas Fleischhunger vernichtete zehntausende Quadratkilometer Wald
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Zwischen 1990 und 2008 90.000 Quadratkilometer Wald für Agrarprodukte für Europa abgeholzt
Laxenburg/Wien - Über den Import von Lebensmitteln aus Afrika, Amerika und Asien ist Europa indirekt für etwa sieben Prozent der weltweit für Agrarprodukte zerstörten Forstflächen verantwortlich. Eine aktuelle Studie belegt, dass für landwirtschaftliche Produkte, die zwischen 1990 und 2008 in die EU importiert wurden, eine Waldfläche von insgesamt 90.000 Quadratkilometern vernichtet wurde. Der Großteil davon ging in Südamerika bei der Futtermittelproduktion für europäische Masttiere verloren.
Von 1990 bis 2008 wurden laut der Untersuchung an der auch das Internationale Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien beteiligt war, etwa 240 Millionen Hektar Wald zerstört, so der IIASA-Forscher Günther Fischer. Am meisten wurde in Südamerika, Südostasien und in Subsahara-Afrika abgeholzt.
"Der Landwirtschaft kann man mit knapp 130 Millionen Hektar ungefähr die Hälfte davon zuordnen", erklärte Fischer. Die auf Importe in die EU entfallenden 90.000 Quadratkilometer sind immerhin etwas mehr als die Fläche Österreichs (fast 84.000 Quadratkilometer) und stehen für etwa sieben Prozent der Gesamtfläche. Rechnen die Forscher noch weitere Sektoren wie die Bekleidungs-, die Pharmaindustrie oder den Dienstleistungssektor dazu, komme man sogar auf bis zu zehn Prozent.
Konsumverhalten und Waldvernichtung
Um den Zusammenhang zwischen dem Konsumverhalten in der EU und der weltweiten Abholzung zu analysieren, haben die Wissenschafter zwei Berechnungsmodelle unter anderem mit Daten des "Global Forest Resources Assessment" der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) gefüttert. Dabei versuchten sie die Entwaldung dem landwirtschaftlichen Sektor in den Ursprungsländern der Produkte zuzuordnen und Flächen herauszunehmen, die durch natürliche Ursachen oder Bautätigkeit verloren gingen. Dann ging es darum, den jeweiligen Produkten in einem Land - wie etwa Sojabohnen aus Brasilien - einen Wert an Waldverlust zuzuordnen. Natürlich könnten auch diese großen Datenmengen nicht alle Eventualitäten vollständig abdecken, schränkte Fischer ein.
Es zeigte sich aber, dass die meisten Agrarprodukte immer noch in den Erzeugerländern selbst verbraucht werden - etwa ein Viertel der Produktion geht in den Welthandel. Nahmen die Wissenschafter Informationen über diese Handelsströme in die Rechnung mit hinein, zeigte sich, dass mehr als ein Drittel der international gehandelten Produkte in die EU gingen.
Futtermittel für Europas Fleischproduktion
Den Löwenanteil machen Importe von Futtermitteln auf Basis von Sojabohnen aus Brasilien und Argentinien aus, aber auch Palmölimporte aus Südostasien oder der Handel mit Naturkautschuk, Kakao oder Kaffee fallen ins Gewicht. Neben der EU liegt auch China bei den Importen solcher Produkte weit vorne, die USA als Nettoexporteur würden hier weniger ins Gewicht fallen.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, bräuchte es entweder mehr Futtermittelproduktion innerhalb der EU, wodurch wiederum die Preise steigen würden, oder Veränderungen im Konsumverhalten, indem in Europa beispielsweise weniger Fleisch verzehrt wird. In den Ursprungsländern wiederum könnte durch strengere Zertifizierungsregeln für die Produzenten der Abholzung entgegengewirkt werden.
Eine besondere Rolle käme hier den großem Handelsketten zu, die in diesem System einen Flaschenhals zwischen der Vielzahl an Produzenten und Verbrauchern darstellen und die dadurch viel Macht haben. Der Großteil der Waldverluste sei auf wenige Länder konzentriert. Die Politik sollte in einen Dialog mit diesen Ländern eintreten, um hier etwas zu verändern, so Fischer. (APA/red, derStandard.at, 25.07.2013)
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